Was alles aus dem Weihnachtsstern wurde
Die Weisen aus dem Morgenland folgten dem Stern, der vor ihnen herzog,
bis Bethlehem. Wo das Kind war, blieb er oben stehen. Als die Morgenländer
den neugeborenen König gebührend gefeiert hatten, zogen sie wieder
in ihre Länder. Den Stern - mmh, den Stern vergaßen sie.
Abend für Abend zog er sein schönstes Goldfunkelndes an,
Nacht für Nacht stieg er feuerrot am Himmel hinauf, Stunde um Stunde
gab er sich die größte Mühe, in Richtung Bethlehem hinabzufunkeln
und den Leuten entsprechend heimzuleuchten, er glitzerte, glänzte
und glühte.
Doch niemand nahm Notiz von ihm.
Die Weisen waren fortgezogen. Und was sonst noch vorhanden war, war eben noch vorhanden. Immer bekümmerter stand der Weihnachtsstern am Himmel, oder hing vielmehr herum. Wie gern hätte er von etwas Schönerem geträumt als von seiner Vergangenheit, als er noch etwas galt! Manchmal heulte er ungehemmt auf die Erde hinab, aber das hielten die Leute morgens für nichts als Tau und Nässe. Nur das Jesuskind, das durch ein Fenster im Stalldach zu einem Stern hinaufsehen konnte, wußte von seinem Kummer. Als es ihn so in seinem Unglück am Himmel verkümmern sah, sagte das Kind auf einmal "Du" zu ihm. Und: "Du, ich möchte dir etwas schenken, das dich ewig aufhellt. Damit du ein schöner, blitzender Stern bleibst."
Da sah der Weihnachtsstern mit großen Augen, wie er sich von
jetzt auf nachher veränderte. Was war das? Er verlor seine Hinterpartie,
sein Kometenstück. Seit ganzer schöner Schweif rutschte unter
ihm weg wie ein Treibsatz von der Rakete und schoß wie ein feuriges
Ungetüm auf die Erde zu.
Es war ein großartiger, schaurig erhebender Anblick, wie der
Feuerschweif des Weihnachtssterns nach unten strömte, wo er mit gewaltigem
Getöse und einer Orgie von Licht und Farben unweit von Bethlehem aufprallte
und in tausend Sterne auseinanderstob. Nach allen Seiten sprühten
die Sterne. Wohin das Auge blickte, sprangen die Sterne in die Höhe
und tanzten wieder herunter. Es waren große und kleine Sterne. Aus
dem Weihnachtsstern entstanden :
Sterne aus Gold und Silber, aus Glas und Porzellan, Strohsterne,
Rauschgoldsterne, Papiersterne, Marzipansterne, Schmucksterne aus Holz
und Wachs, dann die prächtige Gärtnerart Euphorbia pulcherrima,
die man Weihnachtsstern nennt, oder Sternsingersterne, Sterne aus Glühbirnen
und Neonlampen, gemalte und gestickte, geschnittene und geschnitzte - und
sogar die kostbaren Augensterne kamen auf die Welt, herrlich glitzernde,
festliche Lichter in Kinderaugen, Menschenaugen - ein einziges weihnachtliches
Aufleuchten.
Kurz, der Weihnachtsstern von Bethlehem hinterließ ein hundertfaches
Sternwunder, das von Ort zu Ort sprang, von Kontinent zu Kontinent und
nicht zur Ruhe kommen wollte. Es wiederholte sich jedes Jahr. Es gab kein
Weihnachten ohne diesen Sternsegen.
Bei seiner Rückwanderung in die Tiefe des Weltalls sah der
Weihnachtsstern sich immer wieder nach den Sternen um, die er hinterlassen
hatte. Sie freuten ihn.
Sagt es nicht selbst, ist es nicht ein Glück, wenn ein Stern
nicht umsonst in der Welt erscheint und es Jahr für Jahr erlebt, daß
er etwas von seinem Licht verbreitet hat?
Soviel über den Stern von Bethlehem und über alles, was
aus ihm wurde. Er gehört zu Weihnachten wie die Könige, die Hirten,
der Ochse und der Esel und alle anderen Gestalten im Stall. Vor dort kommt
das Licht, das ihnen aufgegangen ist - das Kind liegt in der Krippe, es
ist in Windeln gewickelt und bewegt doch Menschen, die es aufheitert -
und einsame Sterne.
Weil es ihnen die Herzen wärmt und hell macht, ganz von innen.
- Spürt ihr es nicht?