Gedanken zum Bau des Pfarrheims


und der Kapelle

von Architekt Sebastian Kiendl

Kirchliches Gemeindeleben wird heute immer weniger durch die Masse als durch die Vielfalt kleinerer engagierter Gruppen getragen. Dem entspricht der lang gehegte Wunsch der Pfarrgemeinde Eugenbach/Münchnerau, ein kleines kirchliches Zentrum zu errichten.

Eine Besonderheit stellte die Angliederung einer Werktagskapelle dar. Nach den Vorgaben des Diözesan-Bauausschusses sollte eine Kapelle (mit ca. 20 Sitzplätzen) errichtet werden, die als eigenständiger Baukörper in Erscheinung tritt. In einem späteren Beschluß heißt es: Kapelle und Pfarrsaal sollten eine bauliche Einheit unter Abtrennung des eigentlichen Sakralraumes durch eine flexible Trennwand bilden, mit der Möglichkeit, den Pfarrsaal bei zusätzlichem Raumbedarf zuzuschalten.

Es bedurfte eines langen Weges der Planung und Entscheidung, um die verschiedenen funktionellen, liturgischen und gestalterischen Gesichtspunkte in Einklang zu bringen. Beginnend bei ersten skizzenhaften Überlegungen, aus denen eine winkelförmige Anlage mit getrennten Bereichen für Kapelle und Pfarrheim favorisiert wurde. Dann die Forderung der Zuschaltbarkeit des Pfarrsaales die zu der heutigen Lösung führte, zunächst mit der Kapelle als Holzbau angedacht, alternative Überlegungen für die Kapelle, schließlich die Entscheidung, die Kapelle in Mauerwerk zu errichten, ein Glockenträger aus Holz, Sakristeibereich und Beichtraum kamen hinzu.

Einfache geometrische Grundformen bestimmen die Grundstruktur Entwurfes:

Grundriß Pfarrheim Erdgeschoß

Städtebaulich setzt der langgestreckte Baukörper die lineare Bebauung an der Straße fort. Die Kapelle als hervortretender Baukörper zum Straßenraum schafft eine räumliche Zäsur und bildet einen kleinen Vorplatz im Bereich des Zuganges. Durch ihre Baukörpergestalt und den Glockenträger aus massivem Eichenholz wird sie als symbolkräftige und zeichenhafte Form im Ortsbild erkennbar. Ein von Bäumen gesäumter Weg führt den Besucher zum Eingang.

Ansicht Pfarrhaus und Pfarrheim mit Werktagskapelle von Norden

Die Wahl der Baumaterialien folgt dem Entwurfsgedanken. Während die Wände des Pfarrheimes aus beidseitig verputzten Mauerwerk ausgeführt sind, unterstreicht das zweischalige Sichtmauerwerk die Kapelle in ihrer Eigenständigkeit und Wertigkeit. Die äußere Verblendschale besteht aus rotem Ziegelmauerwerk, welches bei Kirchbauten im Landshuter Raum Tradition hat. Stehend vermauerte Ziegelreihen werden durch Querbänder aus hellem Ziegel gegliedert. Die tragende Mauerwerksschale im Inneren ist mit weißem Schlämmanstrich versehen, so daß das Mauergefüge noch erkennbar bleibt. Alle im Inneren sichtbaren Deckenkonstruktionen bestehen aus großformatigen, mehrschichtig verleimten Holzplattenelementen, die durch aufgeleimte Holzstege aus Brettschichtholz verstärkt sind. Unterspannte Binderkonstruktionen ermöglichen filigranere Balkenquerschnitte in den weitgespannten Bereichen von Saal und Kapelle.

Die Dächer des Pfarrheimes sind mit naturroten Ziegeln ausgeführt. Das flachgeneigte Dach der Kapelle erhielt eine Eindeckung aus dauerhaftem Edelstahlblech.

Im neuen Pfarrheim bietet künftig ein Pfarrsaal mit ca. 82 m² Platz für die verschiedensten Aktivitäten der Pfarrei. Dem Pfarrsaal ist eine Küche und ein Stuhllager zugeordnet, diese können bei Bedarf durch Schiebeelemente zugeschaltet werden. Die große Glasfront bezieht den Außenraum mit ein und schafft eine großzügige Atmosphäre.

Im Untergeschoß stehen zwei Gruppenräume für Gruppenarbeit, außerdem ein Raum für das Pfarrarchiv bereit. Durch Ausnutzung des unterschiedlichen Geländeniveaus war es möglich, die Gruppenräume mit normaler Tagesbelichtung auszuführen. Eine Geländemulde schafft darüber hinaus einen wertvollen nutzbaren Freibereich.

Weiß getünchte Räume, Bodenbeläge aus Linoleum im Untergeschoß, Parkett im Erdgeschoß und Feinkeramik im Foyer und Kapellenbereich versprechen eine angenehme Raumatmosphäre und zweckmäßige Nutzung. Eine Lüftungsanlage sorgt für angenehmes Raumklima und reduziert Lüftungswärmeverluste. Die WC-Bereiche werden umweltschonend über eine Regenwassernutzungsanlage versorgt. Eine Wandscheibe markiert die Trennung zwischen Kapellenbereich und Pfarrheim. Nach außen sichtbar Übernimmt sie die Funktion der Raumbildung und des Hintergrundes für die Kapelle.

Die Kapelle stellt mit ihrer Formgebung des Grundrisses den Altar als liturgische Mitte ins Zentrum der Messegemeinschaft. Wie eine bergende Schale umschließen die Wände der Kapelle in einer kreisenden Bewegung Altar und Gemeinde .

Die Form des Grundrisses reflektiert christliche Symbole und Bilder, z. B. Schiff (Arche), Fisch (lchthýs), Mandorla (Auge Gottes). Das nach innen geneigte, mit Stahlseilen unterspannte Dach der Kapelle greift symbolische Formen eines aufgespannten Zeltes (Zelt Gottes), Baldachins, Schiffsrumpfes auf. Die Zahl zwölf als Zeichen des Ursprungs und Fundamentes der Kirche findet sich in den zwölf Auflagepunkten der Dachkonstruktion. Der Form des Grundrisses liegt als Maßverhältnis 6 x 12 m zugrunde. Indirekt einströmendes Tageslicht Über ein rundumlaufendes Oberlichtband und den Lichtgraben im Süden verleiht der Kapelle eine angenehm helle Atmosphäre. Bei eingeschalteter indirekter Beleuchtung verwandelt sich das Oberlichtband nachts in ein stimmungsvoll leuchtendes Band. Ein hohes schmales Fenster durchbricht an der Stelle des Tabernakels als einzige "direkte" Öffnung das Rund der Kapelle. Lichtdurchlässige Steinplatten aus geschliffenem Onyx verwandeln das Tageslicht; sie bringen Gedanken des Lichts als christliches Symbol der Auferstehung zeichenhaft zum Ausdruck.

Die Figuren Anna Selbdritt und das Kreuz aus der Pfarrkirche schaffen vertraute Bezugspunkte in neuem Zusammenhang. lm Kontrast dazu steht die zurückhaltende moderne Gestaltung von Altar, Ambo und Tabernakel aus feuerverzinntem Metall von Klaus-Peter Scherer.

Ein kleiner Beichtraum bietet künftig die Möglichkeit sowohl zum Beichtgespräch als auch zur anonymen Beichte. Kapelle und Sakristei sind zweckmäßig mit hellen Ahornmöbeln eingerichtet. Den Kapellenraum erreicht der Besucher über schleusenartig gestaltete Durchgänge. Der niedrige Eingangsbereich an der Schnittstelle zwischen Pfarrsaal und der Kapelle bildet Rückzugsbereich und zugleich spannungsvolle Oberleitung zum hohen Kapellenraum. Über die rückwärtige mobile Trennwand ist der Pfarrsaal in seiner vollen Breite zuschaltbar.

Am Ende meiner planerischen Arbeit angelangt hoffe ich, daß es mir gelungen ist, einen lebendigen Ort der Begegnung und der Gemeinschaft zu schaffen. An dieser Stelle bedanke ich mich besonders bei Herrn Pfarrer Gietl und den verantwortlichen Gremien der Pfarrgemeinde, die es ermöglicht haben, dieses unkonventionelle Bauwerk trotz mancher Widerstände zu verwirklichen. Es bleibt zu wünschen, daß sich das Bemühen um zeitgemäße Architektur gelohnt hat und daß das Gebäude einen Anstoß geben kann für das kirchliche Leben der Pfarrei in das nächste Jahrtausend hinein.